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Salto Mortale vor der Wüste Gobi

Die Wüste Gobi, genauer gesagt die „Flaming Cliffs“ von Bayanzag, waren unser heutiges Etappenziel. Die Strecke schien machbar, wir waren nun ja schon etwas offroad-geübt. Dennoch wussten wir, dass keine langen Stopps drin liegen würden, wenn wir unser Ziel noch vor dem Sonnenuntergang erreichen wollten. Mit jedem gefahrenen Kilometer wurde die Landschaft immer mehr zur Wüste und Kamelherden lösten die Schafherden ab. Wir fuhren an einem Kamel-Schlachthof vorbei - natürlich.

Gegen 15 Uhr befanden wir uns kurz vor Bulgan und wir wussten, wir würden rechtzeitig vor der Nacht ankommen. Banana steuerte uns durch eine weitere Kamelherde, als ein Kamel erst den Anschein machte sich nicht in unsere Richtung zu bewegen, um sich dann urplötzlich doch auf unsere Fahrspur zu begeben. Banana erschrak. Sie wich dem Tier aus und verlor die Gewalt über das Auto. Kurz darauf hatte sie das Auto wieder gefangen und es schien alles gut, wäre da nicht ein Sandhügel mit Grasdekoration gewesen, auf welchen wir nun mit dem linken Vorderrad auftraten. Wir hoben ab in die Luft und landeten kopfüber im Sand. Landeten auf dem Dach. Kurz vor der Wüste Gobi. Kurz vor unserem Ziel.

Unfall in der Mongolei

Wir waren zum Glück wohlauf. Unserem Wohl galten auch unsere ersten Gedanken, die uns nach der Landung durch den Kopf schossen. Während des Fluges fand kein Gedanke platz, es ging zu schnell. Erst nach einigen Augenblicken bemerkten wir die zwar noch in einem Stück aber dennoch völlig zersplitterte Windschutzscheibe. Unser Hab und Gut war im ganzen Auto verteilt, wir hingen kopfüber in den Sesseln. Vorsichtig lösten wir unsere Gurten und liessen uns auf den „Boden“ hinunter. Guru zerschlug die Scheibe beim Beifahrersitz und wir krabbelten nach draussen. Salto Mortale für unser Auto.

Draussen war es still. So still wie noch nie zuvor. Wie bei einer Beerdigung. Die Kamele schauten uns unschuldig an. Wir zitterten. Nicht vor Kälte, nur vom Schock. Totalschaden kurz vor der Wüste Gobi. Uns schossen auf einmal viele Gedanken durch den Kopf: Wie konnte das nur geschehen? Hätten wir noch vorsichtiger fahren sollen? Wer würde für den Schaden aufkommen? Wie war das nochmals mit unserer Versicherung? Wo schlafen wir heute Nacht? Wie können wir die Vermietfirma oder die Polizei informieren?

Unsere Mobiltelefone hatten keinen Empfang. Zum Glück war es warm (die Wüste war ja nicht weit weg). In der Ferne machten wir eine Jurte aus – wohl die Besitzer der Kamelherde – und wir wussten, dass wir dort nach Hilfe fragen mussten. Wir beschlossen zuerst unsere Sachen aus dem Auto zu räumen und zu packen. Plötzlich bemerkten wir Blut. Banana hatte am linken Unterarm einige blutende Schrammen. Irgendwie hatte sie Glas geschrammt. Mit Wasser reinigten wir die Wunden und desinfizierten sie. Es sah schlimmer aus, als es war.

Als wir die Taiga’Zelles ausräumten, näherte sich ein anderes Auto. Unsere Rettung. Entweder könnte man für uns Hilfe holen oder uns bis zum nächsten Dorf mitnehmen. Als das Auto stehen blieb, wurde es aber noch besser, denn es handelte sich beim Auto um einen Hummer H3. Der Fahrer und Guru entschieden sich nach einem kurzen Wortwechsel prompt für den Versuch, das Auto wieder auf die Räder zu drehen. Die Autos wurden mit einem Abschleppseil verbunden und nach einigen Versuchen stand unser Toyota tatsächlich wieder auf den Rädern.

Guru inspizierte daraufhin die Schäden am Auto. Die Frontscheibe war zersplittert aber noch im Rahmen, das Motorenöl sowie das Wasser liefen aus, die Batterie war nicht mehr da, wo sie sein sollte und der hintere linke Reifen war platt. Weiter war auf der Fahrerseite das Fenster kaputt und der Automat machte nur noch den ersten Gang mit. Guru füllte den Motor mit Öl und Wasser nach, richtete die Batterie und wechselte das komplette Rad hinten links mittels des Werkzeugs aus der Ersatz- und Werkzeug-Kiste. Es fehlten sicherlich ca. drei Liter Motorenöl, Ersatz war gerade mal ein Liter dabei. Somit war noch keine Garantie vorhanden, dass der Motor wieder anspringt, geschweige denn uns bis zur nächsten Stadt bringt.

Unterdessen war auch der Besitzer der Jurte in der Ferne auf einem Motorrad bis zur Unfallstelle vorgedrungen. Vielleicht hat er den Unfall beobachtet. Die zwei Mongolen sassen sich hin und holten eine Flasche Vodka und eine Pfeife hervor. Man bot uns einen Schluck an. Wir konnten nicht ablehnen, tranken einen kleinen Schluck und fragten, ob wir nicht noch Bananas Wunden mit dem Alkohol desinfizieren könnten. Gesagt getan. Banana biss auf die Zähne. Es brannte wie die Höhle. Der Hummer-Besitzer versuchte vergeblich, die Polizei zu informieren, jedoch brach immer wieder die Verbindung ab.

Nach etwa einer Stunde in der prallen Sonne machte Guru den ersten Motortest und siehe da, unsere Taiga’Zelles gab ihren ersten Laut von sich. Das Auto war wohl robuster als gedacht. Wir räumten unser Hab und Gut wieder ein. Den Hummer-Fahrer verabschiedeten wir dankend, als Bezahlung wollte er lediglich ein Selfie von uns dreien. Er verliess die Unfallstelle in die entgegengesetzte Richtung, als dass wir mussten. Auch der Jurtenbesitzer verschwand wieder. Das Einzige was zurückblieb, war die inzwischen leere Wodka-Flasche, welche die zwei Herren komplett geleert hatten.

Bevor wir losfuhren, befreiten wir mit unseren dicken Winterhandschuhen das Innere des Autos von den Glassplittern. Wir schützten uns weiter mit unseren Halstüchern und Sonnenbrillen und fuhren im Schritttempo die letzten 23 Kilometer bis nach Bulgan. Banana hielt dabei mit der linken Hand die Windschutzscheibe in der Führung - man weiss ja nie - und in der rechten Hand das Navi. Kurz vor dem kleinen Dorf fiel dann auch noch der Auspuff mit lautem Krach herunter. Dann erreichten wir endlich Bulgan, ein kleines, verschlafenes Dorf am Rande der Wüste Gobi. Im Dorfzentrum befindet man sich unmittelbar. Dort steht ein kleiner Einkaufsladen und genau davor hielten wir an.

Guru ging in den Laden und fragte nach einem Hotel. Es wurde umgehend die Besitzerin herbeigeholt, die uns und unser Auto mit grossen Augen musterte. Wir erkannten, dass sie unsere Situation verstand. Sie führte Banana (Guru wartete beim Auto) zum Schulhaus, wo im Erdgeschoss ein einfaches Zimmer mit vier Liegebetten eingerichtet war. Draussen befand sich ein Hockklo. Banana handelte den Preis aus, wir blieben die Nacht.

Unweit unseres Zimmers gab es auch versteckt ein familiengeführtes Restaurant. Die freundliche Besitzerin besass zu unserem Erstaunen eine englische Menukarte und bewirtete uns, so gut sie konnte. Ihre schüchterne Tochter wechselte einige Worte Englisch mit Banana und war glücklich, das Gelernte anwenden zu können.

In Bulgan hatten wir auch endlich wieder Empfang und informierten Drive Mongolia über den Unfall. Überraschenderweise war man am Telefon sehr freundlich zu uns. Man sagte uns, wir sollen uns ausruhen und erholen. Am nächsten Tag würden wir gemeinsam die weiteren Schritte planen.

Wir waren heilfroh, waren wir wohlauf und in Sicherheit. Uns quälte aber eine Frage die ganze Nacht: War dies das Ende unserer Weltreise aus mentaler und finanzieller Sicht? Irgendwann besiegte die Müdigkeit unsere Unruhe und wir fielen in einen heilsamen Schlaf.

Tag 33, 5. April 2019 - Bulgan City

Der Morgen nach dem Autounfall begann abrupt. Drive Mongolia sendete uns einen Mechaniker aus Bulgan, welcher uns, das Auto und unser Gepäck mit zu sich nach Hause nahm. In seiner Jurte gab es erst einmal Frühstück. Seine Garage befand sich auf demselben Grundstück.

Eingezäuntes Grundstück mit Jurte und Garage

Danach fuhren wir mit dem Mechaniker zurück zu der Unfallstelle. Die Stelle zu finden war für uns leicht. Der Ort hatte sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Für die Versicherung sammelten wir Beweise und schossen Fotos vom Unglücksort. Die Kamele waren übrigens noch dort. Immer noch mit unschuldiger Miene.

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Baagii (Gründer und Besitzer von Drive Mongolia) bot uns an, einen Ersatzwagen nach Bulgan zu senden, damit wir unsere Tour fortsetzen konnten. Wir lehnten dankend ab. Der Schock sass uns noch zu tief in den Knochen. Alternativ bot man uns einen Fahrer mit Auto an, der uns zuerst zu den Flaming Clifs (was ja unser eigentliches Ziel war) und danach in die Stadt Dalandsadgad bringen sollte, von wo ein öffentlicher Bus nach Ulan-Bator fährt. Wir waren mit dieser Alternative sehr zufrieden.

Für die 350 Kilometer von Dalandsadgad nach Ulan-Bator brauchte der Bus ganze 12 Stunden. Als wir dann um ein Uhr morgens ankamen, holte uns Baagii persönlich ab und brachte uns zu einem Jurten-Touristencamp in der Nähe der Terelj Nationalparks etwas ausserhalb von Ulan-Bator. Wir waren begeistert von dem super Service und glücklich, doch noch einige Tage in der Natur verbringen zu können. Unsere Herzen bangten um unsere Taiga’Zelles.

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