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Pingyao: Nacht im Museum und der Nebel von Mian Shan


Die Einwohner von Pingyao waren noch am Schlafen, als wir die Stadt erreichten. Zu Fuss gingen wir vom Bahnhof vorbei an unzähligen Geschäften bis zum alten Stadtkern und begegneten keiner einzigen Menschenseele. In China ein ganz seltenes Erlebnis. Diese Strecke sind wir später noch einmal gegangen und waren dann erschrocken über die ohrenbetäubende Musik, die aus allen Geschäften bis weit über die Strasse drang. Wahrscheinlich waren deshalb an diesem frühen morgen alle noch tief im erholsamen Schlaf.

Wir gelangten nach einigen Minuten zur beeindruckenden Stadtmauer – die längste vollständig erhaltene Stadtmauer aus der Ming-Zeit – und drangen weiter in die Altstadt vor. Endlich begegneten wir den ersten Bewohnern. Sie düsten mit Rollern oder Golfkarts in die Altstadt und schlossen dort die Geschäfte auf. Praktisch alle Gebäude in der Altstadt waren für Touristen eingerichtet: Es reihten sich dicht aneinander Souvenirläden, Kioske, Restaurants, Tourenverkäufer, Krimskramsverkäufer und Hotels. Wo wir schon in Datong das Gefühl hatten, dass die Einheimischen nicht mehr wirklich in der Altstadt wohnten, wurde uns hier unser Verdacht bestätigt. Uns wurde bewusst, dass wir unsere erste Nacht in einem Museum verbringen würden. Kann nicht jeder sagen.

Apropos Schlaf, das hübsche Hofhaus-Guesthouse "Harmony" fanden wir in einer kleinen Seitengasse. Wir erhielten Frühstück, erholten uns danach ein wenig und als es Dunkel wurde, war uns nach chinesischem Abendessen. Wir entdeckten Pingyao bei Nacht.

21. April 2019 – Steilklippen von Mian Shan

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Zug von Pingyao nach Jiexiu (25 Minuten) und dann weiter mit dem öffentlichen Bus bis zum Parkeingang der Bergregion Mian Shan. Wir liessen uns den Weg zum Busbahnhof von zwei jungen Chinesinnen zeigen, die dauernd kicherten und heimlich Fotos von Guru schiessen. Der Fall war klar und Banana bot den Groupies an, Fotos von ihnen mit Guru zu machen. Wir beschlossen, das nächste Mal Geld zu verlangen.

Im riesigen Eingangsgebäude zahlten wir 160 Yuan Eintritt für den Park. Im Ticket inklusive sind die grünen Busse, welche auf der Serpentinenstrasse verkehren, die sich der schwindelerregend hohen Steilklippe entlang schlängelt.

Die Region ist bekannt für seinen Nebel, der sich mystisch um die Hügel legt. Wir hatten aber Pech. Kaum angekommen hüllte der Nebel den Park komplett ein. Auch bei den Seilbahnen (es hat zwei im Park) riet uns das Personal von einer Fahrt ab, weil auch oben die Sicht komplett zu war. Wir erhaschten erst wieder beim Verlassen des Parks einen kurzen Blick auf die spektakulären Bergen und Klippen.

Auch dieser Park war perfekt auf Touristen vorbereitet. Nebst den Bussen, Seilbahnen und Restaurants gab es Hotels und Attraktionen wie „Foto in traditioneller Kleidung schiessen“ oder „Foto mit alter Waffe machen“. Beim Anblick der Touristen die dieses Angebot nutzten, hofften wir, dass sie sich wegen des Nebels langweilten und sonst eigentlich mega verzückt wären wegen der Natur.

Als wir den Park verliessen, begegneten wir einem farbenfrohen Umzug, wo die Farbe Gelb (oft die Farbe, die für einen Glückstag gewählt wird) dominierte. Erst nachdem wir dieses Foto geschossen hatten, hörten wir eine Frau laut schluchzen und fürchterlich schreien. Sie war komplett in Weiss gekleidet (Farbe der Trauer) und wurde von anderen Frauen, ebenfalls in weissen Kleidern, gestützt. Es war ein Trauermarsch. Sobald wir dies realisiert hatten, packten wir natürlich unsere Kamera weg. Wir fanden später heraus, das Gelb auch für die Stelle gewählt wird, wo ein Toter begraben wird.

Chinesischer Trauerumzug

Ab dem Parkausgang bis zum Busbahnhof in Jiexiu teilten wir uns ein Taxi mit einer freundlichen jungen Chinesin, die im Park als Guide arbeitet. Sie wollte ebenfalls mit dem Bus ab Jiexiu nach Pingyao und wir sollten ihr einfach folgen. Wir nahmen das Angebot an, denn die Suche nach dem Bus nahm immer sehr viel Zeit in Anspruch. Die Taxifahrerin liess uns drei an einer Kreuzung aussteigen und dort warteten wir auf den Bus. Es war nicht unsere erste Busfahrt in China und wir wussten, dass wenn man seinen Arm ausstreckt, der Chauffeur anhält. Nach einer halben Stunde kam der erste Bus und der Chauffeur signalisierte uns, dass er voll war. Da wir beim Warten realisiert hatten, dass der Busbahnhof auf der gegenüberliegenden Seite abfährt, fragten wir die Chinesin, ob wir nicht rüber laufen wollen. Sie meinte, dass wenn wir hier einsteigen, wir für viel weniger Geld mitfahren können. Wir wollten sie nicht beleidigen und warteten nochmals eine halbe Stunde. Es gesellte sich noch eine junge Chinesin zu uns. Als wieder ein Bus an uns vorbeifuhr, sagten wir, wir gehen jetzt direkt zum Busbahnhof. Die erste Chinesin war nicht sehr erfreut. Der Grund über ihren Unmut war, weil wir die Strasse etwas weiter unten erst überqueren konnten und sie zu faul dafür war. Wir machten das erste Mal Bekanntschaft mit der Chinesischen Bequemlichkeit. Als wir dann im Busbahnhof das Ticket lösten, erfuhren wir, dass dieses genau so viel kostete, wie die Chinesin uns als eigentliches „Schnäppchen“ verkaufen wollte. Zusätzlich warteten wir nochmals 20 Minuten bis der Bus abfuhr und die Fahrt dauerte selbst nochmals lange zwei Stunden. Vor allem weil wir überall anhielten und weitere Personen einsteigen liessen. Dreieinhalbstunden später erreichten wir Pingyao. Ein Taxi wäre bestimmt bequemer und schneller gewesen, aber der gewonnene Einblick in die chinesische Kultur war die Mühe wert.

Bereits um 18:08 Uhr ging es weiter mit dem Zug von Pingyao nach Xi’an. Wir waren freudig überrascht, als der moderne Zug mit seiner unverkennbarer langen Spitznase einfuhr, kannten wir ihn doch nur aus den Medien. Total futuristisches Teil, das zeitweise 240 Kmh schnell fuhr.

Wir hatten ein sehr gemütliches Zweierplätzen mit sehr viel Beinfreiheit und direkt am Fenster. Dies entschädigte uns ein Bisschen für die harte Busfahrt am Nachmittag. Banana klappte den Tisch herunter und wollte wieder mal an unserem Blog weiterschreiben, da bemerkten wir, wie uns ein Chinese mittleren Alters unablässig von der gegenüberliegenden Sitzreihe anstarrte. Guru fragte nach, ob etwas nicht in Ordnung ist. Da setzte er sich näher zu uns und quasselte auf Chinesisch drauflos. Wir verstanden kein Wort. Die Übersetzungsapp leistete Abhilfe und wir kamen mit ihm ins Gespräch. Er begrüsste uns sehr herzlich in seinem grossen Bezirk, sagte, er sei überaus froh, mit uns Freundschaft zu schliessen und wollte sogleich die WeChat-Kontaktdaten teilen, damit er zuhause beweisen könnte, das er zwei Europäer kennengelernt hatte. Wir erfuhren, dass er Fahrlehrer aus einer Vorstadt von Xi’an ist und seine Familie ebenfalls mitreiste. Sofort bat er Guru aufzustehen – Banana war froh, sich wieder auf den Blog konzentrieren zu können. Guru wurde seiner ganzen Familie vorgestellt: Onkel, Bruder, Schwester, Frau, Sohn (8 Jahre alt) und natürlich seinem 87 jährigem Vater. Er bat darum ein Video zu drehen. Das Drehbuch sah wie folgt aus: Guru sollte einen europäischen Concierge spielen, der den Vater einen VIP-Platz anbietet und ihm persönlich beim Aussteigen assistiert. Es war sehr lustig und gemeinsam wurde das ganze Zugabteil unterhalten.

Leider hat nur ein Beweisfoto von dieser Aktion überlebt. Wohl oder übel müsst ihr uns vertrauen.

Die Zugfahrt ging sehr schnell zu Ende und nach knapp vier Stunden kamen wir in Xi’an an.

Xi'an Bahnhof

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