Leben am Limit oder auch das Grauen von Murmansk

Als wir nach unserer ersten Zugfahrt und 1848 Kilometer von Moskau entfernt, am Bahnhof Murmansk ausstiegen, blies uns ein starker, kalter Wind und Schnee ins Gesicht. Die Temperatur betrug minus 8 Grad, fühlte sich aber an wie minus 15. Dank unserer Ausrüstung (Schichtenprinzip mit Thermounterwäsche etc.) war das Wetter gut aushaltbar. Guru recherchierte noch in Moskau, wo wir noch WLAN hatten, den ca. halbstündigen Weg zu Fuss vom Bahnhof Murmansk bis zum Hostel Prichal. Die Stadt war komplett eingeschneit, was uns ein herrliches Willkommensbild bescherte.
Dann kam das Unvermeidliche, dann überraschte uns das Grauen von Murmansk, dann sprang der Werwolf aus dem Nichts, Banana wurde angeknabbert.
Nur etwa 30 Meter vor dem Eingang des Hostel entfernt, lauerten im Schnee sechs russische Streuner auf uns Europäer. Sie kläfften und bellten was das Zeug hielt. Einer kam urplötzlich zu uns rübergeschossen und biss Banana in den hinteren Bereich ihres rechten Oberschenkels. Zum Glück lies er danach gleich wieder ab.
Wir liefen sofort zum Hostel und waren zuerst mal froh in Sicherheit und im Warmen zu sein. Am Empfang checkten wir ein, bezahlten den Betrag von 10 Franken für eine Übernachtung im Doppelzimmer und prüften danach das Bein von Banana. Der Biss war nicht tief und blutete nicht. Man sah aber einen deutlichen Abdruck eines Zahns oder einer Klaue und die Haut um die Stelle wurde immer blauer. Guru desinfizierte dann erst mal die Wunde und gab Banana einen Zeitraum von wenigstens 48 Stunden bis zur Verwandlung in einen murmanskischen Werwolf.
DIE Wunde:

Mit Tollwut ist nicht zu scherzen, die Krankheit verläuft bei Ausbruch fast ausnahmslos tödlich. Wir liessen uns daher auch vor Abreise zwei passive Tollwut-Impfdosen als Prophylaxe verabreichen. Das Tropeninstitut in Basel gab uns auch diverse Infoblätter über Krankheiten mit, welche wir elektronisch auf die Reise mitgenommen hatten. Eines davon beschrieb sehr gut, was im Falle eines Bisses zu tun ist. Mit der Prophylaxe-Impfung hat man bei einem Biss oder Kratzer von einem Hund, Nager oder Fledermaus ein paar Tage mehr Zeit, um sich zwei weitere Impfdosen (Tag 0 und Tag 03) verabreichen zu lassen. Ohne den Basisschutz vor Abreise benötigt man unmittelbar noch am gleichen Tag die weiteren Impfdosen. In Murmansk wäre diese Versorgung mit Impfstoff schwierig geworden.

Da bei Banana aber die Wunde nicht sehr tief war, googelten wir herum, um rauszufinden, wie tief usw. eine Wunde wirklich sein musste. Wir wussten aber danach genau so viel bzw. wenig wie vorher. Also machten wir uns bereit, gingen zur Olga am Empfang und fragten sie nach einem Taxi bis zum nächsten Spital in Murmansk.
Nach 30 Minuten waren wir im ersten Hospital angelangt. Banana zeigte den kyrillischen Text (Danke Google-Translate!) welcher beschrieb, was geschehen war. Man verwies uns ziemlich schnell auf ein anderes Spital und gab uns die Adresse. Also rein ins nächste Taxi und auf zur nächsten Adresse.
Dort angekommen wurden wir wieder herumgelotst bis sich herausstellte, dass das Spital für Kinder ist und wir doch zu einer anderen Adresse müssen. Zettel mit Adresse drückte man uns in die Hand und wir setzten uns erneut in das nächste Taxi.
Im Spital für Erwachsene wurde Banana dann von einem Arzt angehört. Dieser teilte sich ein Zimmer mit einer anderen Ärztin. Er sah sich die Wunde an, tippte in seinen Computer und entschied, dass wir in ein anderes Spital gehen müssen. Er stellte einen Bericht aus, gab uns die Adresse und wir mussten feststellen, dass Murmansk zwar klein ist, es aber an Spitäler nicht mangelte.
Russisches Rätsel im Warteraum:
Die neuste Adresse war auf einem Hügel gelegen. Die Räumlichkeiten wurden gerade umgebaut, es wirkte alles ein bisschen trostlos. Dort wurde ich dank des Schreibens vom vorherigen Arzt relativ zügig zu einem Arzt durchgelassen. Dieser nahm die Sache sehr ernst und wir kommunizierten sehr gut dank Google Translate.
Sein Fazit lautete, dass es in Murmansk keine Tollwut gebe, er keine Impfung machen würde, weil die Wunde zu wenig tief ist oder weil keine Impfung vorhanden sei (bis heute noch nicht klar was genau er meinte) und er lediglich Antibiotika empfehlen würde in Kombination mit „only your country can help you“.
Trage steht im Wartezimmer bereit... Banana im Wartezimmer, auch bereit:
Banana war am Ende und sah ihre Umwandlung zum Werwolf unausweichlich. Guru fand derweil die Nummer der 24 Stunden Helpline des Tropeninstituts in der Schweiz und wir riefen sofort an. Erstaunlicherweise war diese Helpline super unkompliziert. Die Ärztin am Telefon gab an, dass sich die Aussage des Arztes wiederspricht (keine Impfung weil die Wunde nicht genug gross ist aber Antibiotika wegen der Wunde) und man bei einer immer tödlich verlaufenden Krankheit eher dazu tendieren sollte, die Impfung zu machen. Sie meinte weiter, dass wir dank der Basisimpfung gut bis Sankt Petersburg warten können und dort nochmals nach den weiteren Impfdosen suchen sollen. Dort sei der Impfstoff eigentlich gut vorhanden. In drei Tagen sollten wir in Sankt Petersburg als Erlösung finden. Banana beruhigte sich ein wenig, und gab sich vorerst damit zufrieden.
Wir gingen dann - haltet euch fest - mit dem hundesicheren Taxi zu unserem Hostel zurück wo wir uns im nahe gelegenen Shoppingcenter hungrig vom Tag erst einmal den Bauch vollschlugen.
Was habt ihr für Hundebisserfahrungen? Tollwut? Wir freuen uns über eure Erfahrungen und Geschichten in den Kommentaren zu lesen.