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Die Hölle von Fenghuang


Das Bild zur Stadt Fenghuang im China-Reiseführer zeigte ein idyllisches chinesisches Dorf an einem Fluss. Wir erlebten Fenghuang aber ganz anders.

Fenghuang entpuppte sich als T o u r i s t e n f a l l e. Seid gewarnt!

Nichtsahnend ging unsere Anreise in Zhangjiajie los. Wir legten noch einen kurzen Stopp bei der Post ein und sendeten insgesamt vier Kilogramm Winterkleidung und ein kaputtes Smartphone zurück in die Schweiz. Die Prozedur war einfach und unkompliziert. Es gab die Wahl zwischen Frachtschiff und Flugzeug. Wir wählten Letzteres und der Postbeamte gab uns einen Karton in passender Grösse, füllte mit uns ein Formular aus und packte höchstpersönlich unsere Sachen ein und verschloss das Paket ordentlich. Kostenpunkt 381 Yuan (53.50 CHF). Versanddauer: Circa 10 Arbeitstage. Und los ging die Reise unseres ersten Pakets aus dem Ausland.

*** Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Unser Paket kam nie in der Schweiz an. Respektive die Post kontaktiere uns drei Wochen später noch während unserem Aufenthalt in China, dass aus zolltechnischen Gründen (Handy!!) die Ausfuhr nicht erlaubt wurde. Zum Glück reiste Gurus Vater in genau dieser Zeit nach Zhangjiajie und konnte das Paket persönlich in die Schweiz mitnehmen. Danke für diesen Einsatz! ***

Es harzte an diesem Tag bereits am Zhangjiajie Bahnhof. Wie an allen chinesischen Bahnhöfen, Metro- und Busstationen wurde unser Gepäck gescannt. Aber das allererste Mal seid gefühlt Hunderten von Kontrollen kontrollierte man das Gepäck wirklich. Eine Kontrolleurin entdeckte unser bisher sehr nützliches Schweizer Sackmesser. Sie bot uns an, das Sackmesser für einen horrenden Preis zurück in die Schweiz zu senden – was natürlich nicht in Frage kam. Banana legte auch noch eine super Show ein und quetschte eine Träne raus, aber nichts half. Das Messer mussten wir an diesem Tag beerdigen und bis heute haben wir keinen würdigen Ersatz gefunden.

Nach über sechs Stunden Anreise kam der Bus von Jishou endlich in Fenghuang am Busbahnhof an. Von dort aus nahmen wir erneut einen Bus, der uns in Stadtzentrum bringen sollte. Dieser kam jedoch schon in der Vorstadt zum Stillstand. Verkehrschaos pur. Bis zum Zentrum benötigten wir gefühlt eine Ewigkeit. Auf Maps.me verfolgten wir die Route, damit wir unsere Haltestelle nicht verpassten. Der Bus war bis auf den letzten Platz voll und wir standen wie Sardinen eingepfercht dicht an dicht.

Als wir endlich aussteigen konnten, liefen wir durch die Altstadt und auch hier mangelte es nicht an Menschen. Viele aufgespiesste und gegrillte Krebse später fanden wir in einer Seitengasse das Feng Huang Li Deng Homestay, dass wir vorab für zwei Nächte über Booking.com gebucht hatten. Am Check-in wurden wir schräg angeschaut und dann wurde uns erklärt, man hätte keine Buchung von uns. Wir legten die elektronische Bestätigung vor. Irgendwann kam die Besitzerin dazu und meinte, sie hätte dem Unternehmen booking.com bereits gemeldet, dass sie die neue Besitzerin sei und sie die Zusammenarbeit beenden will. Wir blieben cool, kann ja sein, dass ihre Aussage stimmte. Unser Bauchgefühl meldete aber klar, dass dies nicht so war. Als wir da so verhandelten, kam irgendwann eine chinesische Studentin/Hotelkundin dazu, die perfekt Englisch sprach und Chinesisch. Sie half bei der Kommunikation. Auch dann noch, als wir eine Stunde später endlich jemanden von der Booking.com-Hotline dran hatten. Booking.com meinte, sie würden uns eine neue Unterkunft buchen. Wir sollten warten. Um die Wartezeit zu überbrücken, lud uns die Besitzerin zum scharfen Nachtessen ein. Wir brachten nur einige Bissen des Chili-Reises runter. Die Situation war etwas angespannt, aber dennoch freundlich. Irgendwann bot uns die Besitzerin an, ein Zimmer bei ihrem Bruder beziehen zu können – für natürlich den doppelten Preis. Wir lehnten höflich ab. Dann endlich die Information von booking.com: Sie sagten uns wir sollten über Ctrip (chinesisches booking.com) ein alternatives Hotel buchen. Ihr Vorschlag, das Fenghuang County Hua Xiang Yuan Inn, war aber schon ausgebucht. Die Damen und Herren vom Booking-Helpdesk waren ab diesem Zeitpunnkt weder telefonisch noch schriftlich zu erreichen. So entschieden wir dann kurzerhand ein anderes Hotel zu buchen – was sich nicht als einfach herausstellte, weil so ziemlich alles belegt war.

Nach drei Stunden, leerem Bauch und mieser Laune begaben wir uns zur frisch gebuchten Alternative, dem Fenghuang Relay Sunshine Hostel. Wir fühlten uns mittlerweile wie ein Boxer in der zweiten Runde, mit einem Schwergewicht als Gegner. Die Strassen waren pumpevoll von Chinesinnen und Chinesen in Partylaune. Die Mädels hatten farbige Strähnen in ihre Haare geknüpft und tänzelten gut gelaunt zwischen den prall gefüllten Restaurants und Bars herum. Die Stadt pulsierte.

Unsere Laune sank ganz auf den Tiefpunkt, als uns die junge Dame im Sunshine Hostel sagte, sie wären leider ausgebucht, ABER ihre Schwester hätte noch ein Zimmer frei. Wir wollten eigentlich nicht, sagten aber, dass wir uns das Zimmer anschauen. Sie liess daraufhin ihre Schwester kommen, die uns quer durch die Altstadt zu einem Haus brachte, dass uns wie ein Alterszentrum vorkam. Im Erdgeschoss sassen einige alte Leute in Sesseln und beäugten uns kritisch. Im sechsten Stockwerk – nur über Treppen erreichbar – zeigte sie uns ein Zimmer mit Hockklo, Kaltwasser und steinhartem Bett für mehr als doppelt so viel wie ursprünglich im Sunshine gebucht. Wir liessen uns noch nicht anzählen, zeigten ihr den Vogel und machten uns aus dem Staub.

Kaum draussen buchten wir nochmals ein Hotel über booking.com – wohlwissend, dass uns dort wahrscheinlich der gleiche Trick erwartete. Also ab in die dritte Runde. Diesmal war es das Phoenix Guesthouse. Dort angekommen, war es natürlich auch ausgebucht und – was für ein glücklicher Zufall – der Bruder hat noch ein Zimmer frei. Sie begleitete uns ins Phoenix Blue Xing Hotel. Diesmal endete es im bitteren und harten Kampf. Wir waren nicht bereit mehr zu zahlen. Irgendwann gab die Vermittlerin auf und verschwand. Wir verhandelten dann endlich mit dem "Bruder"/Besitzer direkt und konnten bleiben – wenn auch immer noch für einen viel zu hohen Preis von 600 Yuan (ca. 84 CHF) pro Nacht. Aber wir mochten nicht mehr, es war schon nach Mitternacht, wir waren angeschlagen, angezählt und hingen nur noch in den Seilen. Wir liessen uns eine rosarote Quittung ausstellen, leckten unsere Wunden und gingen zu Bett.

Sogleich wir das Zimmer bezogen hatten, beschlossen wir, am nächsten Tag wieder abzureisen. Einerseits, weil wir in und um Fenghuang kein Zimmer für einen anständigen Preis fanden und weil die Stadt aus allen Nähten platzte und es unglaublich laut war. Nichts da mit kleiner-chinesischer-Stadt-am-Fluss-Idylle. Bestimmt hat Fenghuang auch seinen Reiz, denn wer das Nachtleben in einem authentisch chinesischen Ambiente erleben möchte, ist hier garantiert an der richtigen Adresse.

*** Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Noch heute haben wir keinen Rappen retour erhalten. Booking.com hat uns zwar eine Rückerstattung versprochen, wenn auch nicht der volle Betrag. Warum? Weil die rosarote Quittung vom Phoenix Blue Xing Hotel nicht ausreichend ist. ***

Quittung

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